So können zwei unter Tageslicht augenscheinlich identisch eingefärbte Lederstücke unter Zuhilfenahme von Kunstlicht plötzlich drastisch voneinander abweichen und umgekehrt. Was unter einer Glühbirne grau aussieht, kann im Sonnenlicht plötzlich violett erscheinen, blau- oder auch gelbstichiger werden. Dieser Sachverhalt ist vielen Verbrauchern bereits durchaus vom Kleidungskauf bekannt - im Geschäft erscheint die Neuerwerbung in einem ganz anderen Farbton als auf der Straße, was dann besonders ärgerlich ist, wenn man eigentlich ein Kleidungsstück kaufen wollte, das zu einem bereits vorhandenen farblich passen muss.
Der Grund für diese Wahrnehmungsverschiebung liegt in der Funktionsweise des menschlichen Sehsinnes. Das Auge verfügt neben den Sensoren für die Helligkeit des Seheindrucks nur über drei Arten von Rezeptoren, die im Rot-, Grün- und Blaubereich des sichtbaren Lichts (350-780 nm Wellenlänge) empfindlich sind. Trifft Rotlicht von 750 nm Wellenlänge auf das Auge, wird auch ein roter Lichteindruck im Gehirn entstehen. Ebenso ist es mit klarem Gelblicht von 580 nm. Aber: Der Gelbeindruck kann auch dann entstehen, wenn sich reines Rotlicht (z. B. bei 700 nm) und Grünlicht (500 nm) additiv vermischen und ursprünglich also gar kein Gelblicht ausgestrahlt wurde - so funktionieren etwa Farbfernsehgeräte. Das Gehirn unterscheidet also bei der Gelbwahrnehmung nicht, ob es sich um reines Gelblicht oder beliebig kombiniertes Mischlicht handelt. Die spektrale Zusammensetzung des Umgebungslichts ist aber dafür entscheidend, wie der Farbeindruck eines Objektes sich verändert, wenn es das Umgebungslicht reflektiert.
Für Betriebe, die sich professionell mit Tönung und Färbung von Stoffen und auch Leder beschäftigen, ist der Metamerieeffekt alltäglich und muss in der Produktion stets berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck werden Werkstücke grundsätzlich zunächst unter verschiedenen, bezüglich ihrer Farbtemperatur genormten Lichtverhältnissen getestet, bevor sie zum Kunden gelangen. Die Auswahl geeigneter Pigmente und deren Kombinationen ist langwierig - jedoch unerlässlich, um Farbabweichungen, soweit möglich, zu minimieren. Ganz auszuschließen sind diese jedoch nie, da auch die persönlichen biologischen Voraussetzungen im Auge des Betrachters - die Empfindlichkeit und Verteilung der farbempfindlichen Zäpfchen der Netzhaut - eine Rolle für das Ausmaß der individuell wahrgenommenen Farbverschiebung spielen.